Das in Köln ansässige KulturForum TürkeiDeutschland fordert in einem offenen Brief die Bundesregierung auf, sofortige Maßnahmen einzuleiten, die Türkei aus dem Europarat auszuschließen – falls sich das Erdoğan-Regime weiterhin weigert, Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte umzusetzen. Der EGMR hatte bereits im Dezember 2019 die sofortige Freilassung des türkische Kulturvermittlers und Unternehmers Osman Kavala gefordert, gegen den die türkische Staatsanwaltschaft am 9. Oktober erneut eine Anklageschrift vorlegte.
Auch der Oppositionspolitiker Selahattin Demirtaş, Ko-Vorsitzender der HDP, und der bekannte Autor und Kolumnist Ahmet Altan seien zu Unrecht inhaftiert und müssten sofort freigelassen werden, hieß es in früheren Urteilen des EGMR, die die Türkei bis heute ignoriert. Das KulturForum fordert nun, der Europarat müsse ein Ausschlussverfahren einleiten, wenn die AKP-Regierung bei dieser Weigerung bleibe.
In dem Offenen Brief heißt es dazu: „Die Bundesregierung und die EU müssen mit der türkischen Regierung endlich Klartext reden, statt ihre Appeasement-Politik im Schatten des Flüchtlingsdeals und der Rüstungsgeschäfte fortzusetzen: Eine demokratische Türkei, die Menschenrechte respektiert, gehört zur europäischen Gemeinschaft und in die EU – ein Regime aber, dass Grundrechte und -freiheiten ignoriert, muss zumindest mit einem Ausschluss aus dem Europa-Rat rechnen.“
Auch der Grünen-Politiker Cem Özdemir hatte auf einer Presse-Konferenz mit zahlreichen Vertretern der türkischen Opposition am vergangenen Dienstag in Berlin dafür plädiert, den Europarat-Ausschluss ernsthaft in Erwägung zu ziehen, einen Abbruch der eingefrorenen EU-Beitrittsverhandlungen lehnte er dagegen ab. Mit Erdoğan und dieser Regierung könne es zwar keine EU-Mitgliedschaft geben, so Özdemir: „Aber das Signal muss immer sein: Eine demokratische Türkei hat ihren Platz in Europa.“
An der Pressekonferenz “Frieden im Mittelmeerraum – Solidarität mit Demokraten in der Türkei” nahmen auch der Journalist Can Dündar, die Schriftstellerin Aslı Erdoğan, die Rapperin und Linguistin Reyhan Şahin alias Lady Bitch Ray sowie der Autor Doğan Akhanlı teil. Das Ziel der Veranstaltung, unterstützt von zahlreichen Organisationen und Persönlichkeiten, u.a. von der PEN-Vorsitzenden Regula Venske und dem Schriftsteller Günter Wallraff, der Deutschen Journalist*inne-Union DJU/ver.di, dem Deutschen Journalisten-Verband DJV und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.: Ein „Zeichen der Solidarität“ zu setzen mit einem kürzlich in der Türkei veröffentlichten Aufruf, dem sich unter anderem der Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk, der Musiker Zülfü Livaneli und der frühere Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Rıza Türmen, angeschlossen haben und dessen Unterzeichner*innen sich „101 Weisen“ nennen. Über die vielbeachtete Presse-Konferenz berichteten auch Deniz Yücel in Die Welt und Uli Kreikebaum im Kölner Stadt-Anzeiger.
Die Veranstaltung wurde von mehreren oppositionellen türkischen TV-Sendern und Internet-Portalen wie Artı-TV und T24 in die Türkei übertragen.
Eine Kurz-Fassung mit den Statements der Teilnehmer können Sie im YouTube-Kanal des KulturForums sehen.